
Anton Reiche – Pionier der Schokoladenformen
Ein Blick auf das Lebenswerk eines Dresdner Unternehmers, dessen Formen weltweit Schokolade und Fantasie prägten – und bis heute gesammelt, bewundert und bewahrt werden.



Das Reiche-Imperium in Dresden
Was 1870 mit einer kleinen Werkstatt begann, entwickelte sich zu einem der führenden Hersteller von Schokoladenformen und anderen Blechwaren. Modernste Technik und handwerkliche Präzision prägten die Produktion. Mehr als 1.100 Mitarbeitende fertigten Formen und Dosen für Kunden wie Stollwerck, Lindt oder Manner, die weltweit exportiert wurden. Mit farbig bedruckten Weißblechformen brachte Reiche erstmals dekorative Elemente in die Branche. Seine Patente setzten Maßstäbe – viele Verfahren wurden später von anderen übernommen.
mehr als
Mitarbeiter zur Hochphase
über
produzierte Formen
mind.
Exportländer weltweit
Ein Familienunternehmen mit Geschichte
Was einst klein begann, wurde zum Maßstab: Über Generationen hinweg haben die Reiches ihr Know-how in der Herstellung von Schokoladenformen weitergegeben – und damit ein Kapitel deutscher Formenkunst geschaffen.

Vom Gutshof zum Unternehmen mit Weltruf
Lange Zeit lebte und arbeitete die Klempnerfamilie Reiche auf einem Gutshof in Wilsdruff in der Nähe von Dresden. Hier wurde Friedrich Anton Reiche 1845 geboren. Nach seiner Lehre ging er auf Wanderschaft durch Deutschland, Frankreich und die Schweiz. In Paris lernte er bei der Firma L’Étang die Herstellung von Schokoladenformen kennen – ein Schlüsselmoment für seinen weiteren Lebensweg. Zurück in Dresden gründete er 1870 mit nur einem Gehilfen seine erste Werkstatt. Was als handwerklicher Weg begann, wurde zur Lebensleistung eines Mannes, der mit Fantasie, Technik und Unternehmergeist eine eigene Industrie prägte.

Familie als Fundament des Erfolgs
Die Familie Reiche war weit mehr als nur der Namensgeber des Unternehmens. Die Söhne Max, Anton und Alfred traten in die Fußstapfen ihres Vaters, führten das Werk erfolgreich weiter und übernahmen nach der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft die Kontrolle. Auch der Enkel Franz-Anton war später Teil der Geschäftsleitung. Die Familie lebte in enger Verbindung zum Werk – oft in direkter Nachbarschaft zur Fabrik – und verstand sich als Teil einer größeren Gemeinschaft, in der Arbeit und Leben eng miteinander verknüpft waren. Erst die Zerstörung 1945 und die Enteignung in der DDR beendeten diese familiär gelebte Ära.

Soziale Verantwortung und Fürsorge
Anton Reiche war einer der angesehensten Arbeitgeber Dresdens. Er galt als verantwortungsvoller Unternehmer mit starkem sozialen Gewissen. Für seine Mitarbeitenden ließ er Werkwohnungen errichten, richtete Kantinen und eine Werksküche ein und sorgte für eine betriebliche Kranken- und Unterstützungskasse. Besonders hervorzuheben sind auch das Arbeiterinnenheim, ein firmeneigener Kindergarten sowie festliche Weihnachtsfeiern, bei denen jedes Kind ein Geschenk erhielt. Mit diesen für die Zeit außergewöhnlichen Maßnahmen schuf er ein Arbeitsumfeld, das auf Respekt, Gemeinschaft und Fürsorge basierte.

Spuren über Jahrhunderte
Die Geschichte der Familie Reiche lässt sich nicht nur erzählen – sie lässt sich auch nachzeichnen. Vom Ursprung im 15. Jahrhundert bis in die Gegenwart spannt sich ein eindrucksvolles Geflecht aus Namen, Wegen und Verbindungen ...

Formenvielfalt in Blech –
ein Blick ins Reiche-Archiv
Mehr als 50.000 Figurenmotive entstanden im Laufe der Jahrzehnte – von Osterhasen und Nikoläusen bis hin zu Kamelen, Vespa-Fahrern, Wanderstiefeln und Zeppelinen. Jede Form erzählt eine kleine Geschichte – mit viel Liebe zum Detail und oft verblüffender Gestaltungskraft. Sogar feinste Fellstrukturen, Fischschuppen oder Stoffmuster wurden sichtbar gemacht. Bis heute begeistern die Reiche-Formen Sammler:innen, Chocolatiers und Designliebhaber:innen auf der ganzen Welt.























































Über 120 Jahre geprägte Unternehmensgeschichte
Vom Zinngießer in der Dresdner Altstadt zum weltweit gefragten Produzenten detailreicher Schokoladenformen: Die Geschichte von Anton Reiche ist ein Stück Industriegeschichte – voller Ideenreichtum, unternehmerischem Weitblick und handwerklicher Finesse.
1870/1878
Anton Reiche eröffnet seine eigene Zinnwerkstatt in der Münzgasse 2 in Dresden, ca. 8 Jahre später Aufbau der Anton Reiche Fabrik in der Freiberger Straße (Annenhof).
1886
Mit Hilfe seines Freundes Traugott Bienert erwarb Anton Reiche ein Grundstück in der Bamberger Straße 1–9, wohin er seine gesamte Produktion verlegte – Geburtsstunde der „Schokoladenformen- und Blechemballagenfabrik“
1895
Kurz vor der Jahrhundertwende sind über 1.100 Mitarbeitende sind in der Fabrik beschäftigt – ein Beleg für das rasante internationale Wachstum des Betriebs.
1912
Die Firma wird zur Anton Reiche AG umgewandelt – die erste Aktie hatte einen Nennwert von 1000 Mark und war ausgestellt auf Ehefrau Emma Reiche.
„Weltweit bekannt als die besten, wertvollsten und meistgesammelten Schokoladenformen.“
Das Erbe lebt weiter
Bis heute sind die kunstvoll gestalteten Schokoladenformen weltweit begehrte Sammlerstücke – sie finden sich in Privatsammlungen, tauchen auf Auktionen auf und werden von Liebhaber:innen bis ins Detail erforscht.
Einen besonderen Beitrag zur Bewahrung des Reiche‑Erbes leistete die Urenkelin von Anton Reiche: Monika Tinhofer (1928–2011). Anfang der 2000er Jahre sammelte sie zahlreiche Originalformen, Kataloge und Archivmaterialien, darunter über 1.500 Schokoladenformen und mehr als 100 kunstvoll verzierte Blechdosen.
Die Sammlung wurde zunächst im Bienertmuseum in der Hofmühle Dresden ausgestellt, bevor sie 2018 in das privat geführte Schokoladenmuseum Camondas in der Schloßstraße umzog. Dort sind heute unzählige Exponate liebevoll präsentiert und via Inventarisierung professionell erschlossen.
Die Sammlung ermöglicht einen authentischen Einblick in die Kulturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts und zeugt von der außergewöhnlichen Innovationskraft der Dresdner Schokoladenindustrie.
